16.10.2022
In einer Facebook Gruppe, die sich um eine schwere körperliche Erkrankung sammelt, schreibt einer : “ schon mal eure wohnung verwüstet ?”.
Das ist so ganz anders, wie die üblichen Beiträge, in denen es überwiegend darum zu geht sich an die neue Rolle im Leben, als chronisch krank, optimiert zu adaptieren.
Rehabilitationsmassnahmen zu absolvieren, einen Grad der Behinderung zu beantragen.
Es geht um Anpassung an schulmedizinische medikamentöse Behandlung Prozeduren. oder auch um alternative Behandlungskonzepte, die in der Regel mit starken Einschränkungen der Ernährung und Lebensgewohnheiten verbunden sind.
Beide Konzepte versprechen durch Anpassung eine Abmilderung des vorher unausweichlichen, der zunehmenden Krankheitsprogression.
Nur, wer auch ohne Behandlung von einem milden, vielleicht kaum beeinträchtigenden Verlauf betroffen gewesen wäre, oder wessen Erkrankung sich erbarmungslos seinem Körper bemächtigte, ist kaum kalkulierbar.
Beide Konzepte generieren Hoffnung, etwas unumkehrbares günstig zu beeinflussen.
Ich kann etwas tun dagegen, bin nicht passiv ausgeliefert.
Es wird suggeriert, nicht allein damit zu sein.
Ein Teil einer Gemeinschaft zu sein, die über ein Wissen, und ein daraus abgeleitetes Verhalten, die Krankheit besiegt.
Es schwingt etwas religiöses auserwähltes mit, wenn du das Richtige tust, wird es nicht so schlimm, oder die Hoffnung auf Heilung hat hier ihre Nische.
Die schulmedizinische Variante verspricht bei Anpassung an die Prozeduren, aus der Abhängigkeit, Trost und Fürsorge, von Ärzten, Therapeuten und Pharmaunternehmen.
Bunte Broschüren bildern sportliche Paare mit verklärtem Lächeln, und einem Markennamen. Es wird vermittelt, auch für dich als Kranke gilt das universelle gesellschaftliche Credo, alles ist “erreichbar”.
Pharmafirmen betreiben Betroffenen Portale, es werden schönfärberisch Betroffene porträtiert, die mit der Krankheit und der Substanz ein selbstbestimmtes erfülltes Leben darbieten. Es gibt keine Not, keine schweren Verläufe.
In dieser von Anpassung geprägte Landschaft haut Einer seine Verzweiflung heraus.
“Schon mal eure Wohnung verwüstet ?”, zwischen Fragen, wie beantrage ich einen Grad der Behinderung, wie eine Rehabilitation. Mich erreicht sein Post, da ist ein Mensch, der schreit, da wo alle ruhig sind, seine Not heraus. Nicht, dass es wirklich hilfreich ist das Mobiliar zu zerlegen, aber die innere Erschütterung wäre sichtbar, in dem er das schreibt zeigt er, es ist nicht alles in Ordnung.Hinter all diesen Fragen nach Organisatorischen schreit eine große Einsamkeit, und immer ein bisschen, “ich will das nicht haben”,
“kann mir das bitte jemand abnehmen”, nicht die Anträge, die verfickte Krankheit.
Es werden Tipps für die Bewältigung einzelner Symptome ausgetauscht.
Das Ungeheuerliche wird nicht benannt, die Ungeheuerlichkeit, das im Körper selbstzerstörerische Kräfte entfacht sind, die außerhalb der eigenen Kontrolle liegen.
Der eigene Verfall beschleunigt, über das für das eigene Lebensalter übliche hinaus.
Der potentielle Wohnungsverwüster wird in einer gemeinschaftlichen Verzweiflung Abwehr psychisch pathologisiert, “Borderliner”, dröhnt es.Mehrfach wird artikuliert, “du bist hier falsch”, “gehe in die Klinik”, gehe zu Fachpersonal.
Die Verzweiflung an einer schweren Erkrankung wird auch von einer Mehrheit der selbst Betroffenen aggressiv abgewehrt. Als ich vom Wohnung verwüsten las, vom außer sich sein, begegnete ich ihm und spiegelte etwas von mir. Er überschritt die Regeln für den gut informierten und angepassten Kranken, dadurch wurde eine Begegnung möglich
Lasst uns auch da begegnen wo die Verzweiflung ist, um das Strahlen am Leben zu teilen.
Admin - 20:20 @
Diplompsychologin
Psychologische Psychotherapeutin
Hofweg 62
22085 Hamburg
Telefonzeit Freitags von 11 - 13 Uhr
Fon 040 / 227 32 93
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